Ich begrüße euch auf der Mahnwache „Kein Platz für Antisemitismus – Solidarität mit der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen“. Schön, dass ihr so zahlreich erschienen seid.
Mir fehlen die Worte. Mir fehlen die Worte über das, was passiert ist; genauso wie am Mittwoch. Am Mittwoch als ich da vorne stand. Als ich diesen hasserfüllten Mob auf
die Synagoge zulaufen sah. Als ich nicht wußte, ob die wenigen in kürzester Zeit hier angekommenen Polizisten und Polizistinnen in der Lage sein werden den Aufzug vor der Synagoge zu stoppen.
Vor dem Gotteshaus meiner jüdischen Mitmenschen, meiner jüdischen Freunde und Freundinnen. Sie schafften es! Zum Glück!
Was ich dann sah und hörte war aber nicht minder erschreckend und angsteinflössend.
Mit zitternden Händen versuchte ich das zu dokumentieren, was ich eigentlich nicht für möglich gehalten hatte.
Ein Mob von 200 hasserfüllten Menschen steht vor einer Synagoge und brüllt immer wieder „Scheiß Juden“. „Scheiß Juden“.
Es war erschreckend, es war beängstigend, es war traumatisierend.
Ich war erleichtert als der Aufzug von der Synagoge wieder verschwand. Vorbei war er aber noch lange nicht. Immer wieder antisemitische Parolen brüllend einmal quer durch unsere Innenstadt.
Nachdem es möglich war, wieder klare Gedanken zu fassen, wurde mir klar, was hier passiert ist. Und meine Gedanken galten den Menschen die davon am allermeisten betroffen waren: unseren jüdischen Mitmenschen.
Das, was da passiert ist, ist eine Flamme, eine Glut von etwas, was sich schon einmal zu einem vernichtenden Feuer ausgebreitet hat, weil nicht genügend Menschen mit Wassereimern zum Löschen bereit waren. Lasst uns gemeinsam jeden Tag und vor allem in Situationen wie diesen gefüllte Wassereimer tragen um ein Feuer zu verhindern. Es geht dabei nicht nur um unsere jüdischen Freundinnen und Freunde, es geht hier um unsere Gesellschaft, um uns alle. Denn nur eine
Gesellschaft, die es schafft, alle seine Mitglieder zu schützen und ihnen Sicherheit bieten kann, ist eine intakte Gesellschaft, auch das haben wir aus der Geschichte gelernt.
Dass wir als Initiative gegen Antisemitismus heute dazu aufgerufen haben, solidarisch mit unseren jüdischen Mitmenschen zu sein, ist für
mich selbstverständlich. Für mich ist es nichts wofür sich jemand bedanken muss. Es ist einfach selbstverständlich. Eine Selbstverständlichkeit. Eine Selbstverständlichkeit, die es eigentlich bei jedem von uns geben sollte. Bei jedem, der die Geschichte kennt. Bei jedem, der weiß welch unendliches Leid die jüdische Gemeinschaft seit Jahrhunderten erlitten hat. Aber leider ist es bei vielen keine Selbstverständlichkeit. Und deshalb
sind wir so froh das ihr heute hier seid. Wir sind froh, dass wir der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt zeigen können, dass sie nicht alleine steht. Dass es Menschen gibt, die sich
gegen Antisemitismus stellen und zeigen, dass sie Antisemitismus und Judenhass nicht hinnehmen und alle Energie dafür einsetzen,
Antisemitismus zurückzuweisen um den Platz der jüdischen Gemeinschaft in der Mitte unserer Stadtgesellschaft in Sicherheit zu bewahren.
Was uns als Initiative gegen Antisemitismus wichtig ist, ist dass Ereignisse vom Mittwoch, genau wie die Geschehnisse von Halle, nicht
ausschließlich zu Beileids- und Solidaritätsbekundungen führen, sondern
wir endlich gemeinsam anfangen kontinuierlich in allen gesellschaftlichen Bereichen und Institutionen eine intensive und
kontinuierlich Arbeit gegen Antisemitismus anzustrengen. Und damit meinen wir auch explizit jeden Antisemitismus.
Und was wir abschließend mit aller Deutlichkeit sagen müssen, ist dass die Geschehnisse vom Mittwoch nicht dazu genutzt werden um Hass, Hetze oder Rassismus zu verbreiten. Dem stellen wir uns als Initiative gegen Antisemitismus mit aller Deutlichkeit entgegen.
Denn eine weitere Spaltung durch Hass und Rassismus ist das letzte was wir und vor allem die jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen momentan brauchen.
Ich danke euch.