Kundgebung mit ca. 80 Personen vor der Synagoge
Ca. 80 Personen fanden sich am Dienstag, den 8.Oktober, vor der Synagoge
in Gelsenkirchen ein um an den Terrorangriff auf Israel 2023 und den
antisemitischen und rassistischen Anschlag in Halle 2019 zu erinnern.
Die Kundgebung begann mit einer Rede des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Halle Max Privorozki, die von der Ehrenvorsitzenden der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen Frau Neuwald-Tasbach verlesen wurde.
Anschließend folgten weitere Redebeiträge u.a. vom Jugendzentrum Chesed der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, der Initiative gegen Antisemitismus Gelsenkirchen und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gelsenkirchen. Besonders ergreifend war der Redebeitrag von Shenhav und Bar aus Israel. Sie schilderten eindringlich und ergreifend ihre Erfahrungen vom 7.Oktober, den sie im Kibbuz Nahel Oz in der Nähe der Gazastreifens überlebten.
Alle Beiträge beschäftigten sich neben dem Gedenken an die beiden Anschläge mit den aktuellen Entwicklungen und den explodierenden Zahlen antisemitischer Übergriffe und Gewalt. Neben Trauer und Wut über die bedrohlichen Zustände, mit denen sich Jüdinnen, Juden und jüdisches Leben aktuell konfrontiert sehen, waren auch immer wieder hoffnungsvolle Worte zu hören.
„Wir werden Kerzen zünden. Denn wir, die absolute Mehrheit der Menschen, mögen Licht und Helligkeit und glauben an G-, der diese Welt hell und fröhlich erschaffen hat.“ So wie diese Textpassage aus der Rede von Max Privorozki dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Halle.
Die Kundgebung fand ihren Abschluss mit zwei jüdischen Friedensgebeten und einer Schweigeminute für die Opfer antisemitischer und rassistischer Gewalt, bei der gelbe Luftballons als Zeichen der Hoffnung steigen gelassen wurden.
Emotionales Podiumsgespräch über 2 Stunden
Das anschließende Podiumsgespräch in der Synagoge begann mit einem Grußwort der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen Frau Slava Pasku und der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge.
In den ersten 45 Minuten der Veranstaltung schilderten Shenhav und Bar noch einmal aus ihrem Leben. Über die Zeit vor dem 7.Oktober, ihrer Verlobung und ihrem ganz normalen Leben als junges Paar in Israel. Wie sie am Vorabend nach Hause kamen und es plötzlich in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober zu Raketenalarm kam, der erst mal für sie in Israel zum Alltag gehörte. Nach einiger Zeit mussten sie aber feststellen, dass dieser Alarm anders war als sonst. Sie erzählten dass sie im Schutzraum hörten, wie Terroristen in ihr Kibbuz eindrangen und von den Kampfhandlungen. Von ihrer Hoffnung, ihrer Angst und der abschließenden Befreiung durch israelische Soldaten.
Es war unglaublich mitnehmend und
ergreifend den Berichten zu folgen. Anschließend fiel es sehr schwer mit dem vorgesehenen Programm für das Podium weiter zu machen. Allen im Raum ging dieser Bericht unglaublich nah. Wir bedanken uns noch einmal explizit bei Shenhav und Bar, dass sie nach Gelsenkirchen gekommen sind und uns von ihren schrecklichen Erfahrungen des 7.Oktobers berichtet haben. Aber auch von ihrem normalen Leben erzählt haben und wie es sich nach den Geschehnissen verändert hat. Uns Respekt gilt den beiden, ihrem Mut und ihrer Kraft.
Im weiteren Verlauf berichtete der in Berlin lebende israelische Autor Ron Segal noch deutlich ergriffen von der Berichten von Shenhav und Bar, wie er den 7.Oktober und den steigenden Antisemitismus erlebt. Ron Segal machte dabei nochmal deutlich, daß er neben der Bedrohung durch Antisemitismus auch eine große Gefahr in der Entwicklung durch das Erstarken der rechten AfD sieht.
Emotional für viele im Raum auch sein Statement auf eine Nachfrage aus dem Publikum ob er bei den aktuellen Entwicklungen Angst für sich empfinde und er antwortete: auf einer Seite nein. Mit zwei Jahren hätte es das erste Mal in den Luftschutzbunker in Israel gemusst und mit 7 Jahren einen Krieg miterlebt. Aber als Vater von drei Kindern hätte er natürlich Angst.
Michael Neumann von Antidiskriminierungsstelle für Westfalen/Lippe stellt anschließend noch mit einer Folie von Zahlen und Daten die aktuelle Bedrohungslage anhand antisemitischer Vorfälle dar. Er
berichtet zudem, daß auch in der Beratung von Betroffenen sich der 7.Oktober und die Entwicklung steigender antisemitischer Vorfälle widerspiegelt. Problematisch für ADIRA ist dabei auch, daß es oft an Kapazitäten fehlt, dem gestiegenen Bedarf an Beratung für Betroffene zeitnah gerecht zu werden.
Abschließend berichtet der Geschäftsführer der jüdischen Gemeinden
Gelsenkirchen Igor Kusnezcov davon, daß viele Mitglieder der Gemeinde auch Angst hätten und ein Gefühl der Bedrohung da ist und daß es bei Mitgliedern immer wieder den unsicheren Moment gibt, von zu Hause in die Synagoge zu gehen, um z.B. am G-ttesdienst teil zu nehmen. Aber wie schon von Max Privorozki aus Halle in seinem Redebeitrag, brachte auch Igor Kusnezcov seine Hoffnung und Zuversicht zum Ausdruck, dass es irgendwann vielleicht nicht mehr nötig ist, dass die Synagoge 24/7 von der Polizei bewacht werden muss. Er machte auch deutlich wie wichtig jedes Zeichen der Solidarität für die Gemeinde ist, sei es auch nur kleiner Akt wie ein kleinen Zettel vor der Synagoge abzulegen mit der Aufschrift
„Wir sind an eurer Seite“. So laut Herr Kusnezov nach dem 7.Oktrober 2023 geschehen, gibt viel Kraft.
Nachdem es noch einige Fragen aus dem Publikum gab, bei dem es auch darum ging, welche Möglichkeit es in Gelsenkirchen gibt, sich aktiv gegen Antisemitismus einzusetzen, endete nach über 3 Stunden ein sehr aufwühlender und für alle mitnehmender Abend.
Wir bedanken uns bei allen Besucher_innen des Abends und hoffen, Sie bei unseren nächsten Veranstaltungen wieder begrüßen zu dürfen. In der Zwischenzeit können sich alle Interessierten auf unseren social Media
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Vielen Dank, bis zum nächsten Mal! Shalom !
Initiative gegen Antisemitismus Gelsenkirchen / 10.Oktober 2024